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„Da irrst du dich, Alex!“


In der Ausgabe von Toms Kellershow vom 21.11.2025, ausgestrahlt von Rai Südtirol, sagt Alex Schwazer (ehemaliger Olympiasieger von Peking im 50-km-Gehen und später in eine Dopingaffäre verwickelt) auf die Frage, was er vom Mentaltraining im Spitzensport halte, dass er „nichts, absolut null“ davon halte. In dem Moment, in dem man sich anstrenge, müsse man ohnehin mental bereit sein. Anschließend führt er aus, dass Jugendliche ihre Erfahrungen selbst machen müssten. Er fragt sinngemäß, welchen Sinn es habe, wenn ein Psychologe einem 15-jährigen Skifahrer vor einem Rennen die Angst nehme, dieser Psychologe dann aber nicht beim Wettkampf dabei sein könne.


Dass Alex Schwazer vom Mentaltraining „null hält“, darf selbstverständlich seine persönliche Meinung bleiben. Weil er jedoch immer wieder in der Öffentlichkeit steht und gerade für junge Sportlerinnen und Sportler noch immer als Vorbild wahrgenommen wird, erscheint es notwendig, einige inhaltliche Fehlannahmen dieser Aussage klarzustellen. Seine Einschätzung beruht auf einem grundsätzlichen Missverständnis dessen, was modernes sportpsychologisches Training eigentlich leistet.


Mentaltraining bedeutet nicht, Athleten künstlich angstfrei zu machen oder ihnen ihre Eigenverantwortung zu nehmen. Im Gegenteil: Es zielt darauf ab, ihre Fähigkeit zur Selbstregulation zu stärken – also genau das, was Schwazer als Voraussetzung für Spitzenleistungen nennt. Wer unter hohem Leistungsdruck steht, kann nicht darauf vertrauen, „von selbst“ mental bereit zu sein. Konzentration, Stressresilienz und die Fähigkeit, Emotionen zu steuern, sind erlernbare Fertigkeiten. Kein Trainer der Welt würde sagen: „Techniktraining braucht es nicht, im Wettkampf funktioniert’s dann schon.“ Warum sollte das für mentale Fähigkeiten anders sein, was auch von zahlrechen Studien längst nachgewiesen ist.
Gerade Jugendliche profitieren nachweislich von professioneller Begleitung. Sie stehen in einem vulnerablen Alter, in dem körperliche und psychische Entwicklung stark schwanken. Jugendlichen vorzuschlagen, sie müssten ihre Ängste „allein durchstehen“, ist nicht nur fachlich falsch, sondern auch sehr gefährlich. Wer solche Aussagen macht, blendet aus, wie verletzlich junge Athleten/Menschen sind – und wie viel Schaden Druck, Angst und Überforderung anrichten können. Die Aufgabe eines Sportpsychologen ist nicht, jemandem die Angst „wegzuzaubern“, sondern jungen Menschen Werkzeuge zu geben, damit sie Druck bewältigen, fokussiert bleiben und langfristig gesund im Sport bestehen und ihre Persönlichkeit weiterentwickeln können.


Es wäre daher wünschenswert, dass prominente Sportler, die um ihre Vorbildfunktion wissen, differenzierter über Themen sprechen, die für die Entwicklung junger Athleten entscheidend sind. Mentaltraining ist kein Luxus oder esoterischer Zusatz – es ist ein zentraler Bestandteil moderner Leistungsentwicklung. Und wer einmal auf höchstem Niveau gearbeitet hat, weiß, dass die mentale Stärke ein ganz wichtiger Baustein für Erfolg ist.

AUTOR: Martin Volgger